Lord Helmchen was born
Einen inneren Bezug zu diesem Bild zu bekommen, fällt mir schwer. Ich kann noch nicht recht sagen, woran das liegt. Wollen wir´s rausfinden; zusammen? Lust – Keine Lust?! Vorschlag: Lass´ mich sinnieren, und du schaust, was du daraus machst.
Ich male gerne auch mal in Aquarell; Wasserfarben auf speziellem Papier. Auf diese Art und Weise ist sie, die Namenlose zu mir gekommen (Bild: Aquarell Skizze). Eine schnelle Skizze. Große Augen gucken irgendwo hin. Es war ein kleiner Zeitvertreib. Dann lag sie rum. Feiner kann ich´s nicht ausdrücken. Lag rum und keinen juckte es. Und damit war sie in bester Gesellschaft. Denn hier liegt immer eine Menge an Begonnenem, Versuchtem, Geplantem rum. Was soll ich sagen, so läuft das hier eben. Viel Gesellschaft.
Ein Kompagnon in spe war eine kleine quadratische Leinwand. Döste unter irgendeinem Stapel. Schrieb wahrscheinlich heimlich Gedichte:
Der Spielraum ist klar
Ein Punkt in der Mitte / oder läuft übern Rand
Die Selbstwirksamkeit gegen Null / und immer unter Spannung
Ich bin weit / alle Möglichkeiten sind in mir
Machen kann ich nichts / aber träumen alles
Die Leinwand denkt, sie kann dichten, der kleine Spinner!
Egal, lagen da halt betulich beieinander, ohne voneinander zu wissen, das Bild und die Leinwand. Ich kann mich noch gut dran erinnern. Das Aquarell hatte ich, etwas angelehnt, auf dem Schreibtisch stehen. Mir gefielen die Augen so gut. Aber die guckten sich im Laufe der Zeit natürlich weg. Und die kleine Leinwand lag schon seit Ewigkeit zwischen einem Stapel von Ausdrucken und anderem Papier direkt vor dem Bild. Genauer gesagt, stützte der Stapel das Bild, damit es überhaupt halbwegs aufrecht sein konnte. Wie gesagt, so läuft das hier halt mitunter.
Meine Aufmerksamkeit hatte sich währenddessen stärker auf das Malen mit Acryl gerichtet. Ich malte größer und bunter. Und ich hatte es zum Standard gemacht, meine Bilder immer in einer Vorskizze zu planen. Heißt, dass ich meine Ideen erst einmal mit Blei- oder Kohlestift grob auf Papier bringe, dran rum feile oder vielmehr radiere oder wische, bis es für mich stimmig ist. Und dann male ich eine kleinere Version von diesem Entwurf mit Acryl auf Papier. Und dieser wird dann auf die eigentliche Leinwand gebracht.
In dieser Zeit hatte ich auch Neonfarben (wieder-)entdeckt. Was vorher ein NoGo! für mich war – ein Abnabelungsversuch von einer, in Neonfarben sozialisierten Post-DDR-Welt meiner späten Kindertage – erlebte in mir ein Revival. So kommt das eben. Heimlich hatte ich den Farben und einer ausgeprägten Vorliebe zu holografischen Stoffen – das untrennbare Duo der frühen 90er – nie abgeschworen.
Und dann war auf einmal alles wieder ganz easy und irgendwie amnestisch meinerseits. Ich weiß nur noch, dass ich der Meinung war, die Wasserfarbe gehört jetzt, verdammt nochmal, überführt. Heißt, Wassergesicht zu waterproof in Acryl. Der Punkt in der Mitte breitete sich aus, in sattem Schwarz, bis übern Rand. Glaskugelwissen, Hilfsausdruck.
Lifehack-Exkurs: Nehmen Sie sich eine ausgediente Zahnbürste. Decken Sie großzügig eine Ebene mit Zeitungspapier oder vergleichbarem ab. Besorgen Sie sich einen Malgrund (Papier, Leinwand, Boden eines alten Schuhkartons, Lohnsteuerbescheid etc.). Besorgen Sie sich Farben. Besorgen Sie sich ein Glas Wasser. Gehen Sie bei allen Schritten ressourcenschonend vor. Meint, achten Sie auf Zeit und Geld. Nehmen Sie bitte einfach das Erstbeste, was Sie zu greifen bekommen. Gerne aus dem eigenen Haushalt. Oder seien Sie verwegen und begehen Bürodiebstahl bzw. kommen nach einem Besuch bei Freunden mit gefüllteren Taschen zurück. Alles für die Kunst. Feuchten Sie die Zahnbürste im bereitgestellten Wasser leicht an und reiben sie dann satt in der Farbe Ihrer Wahl. Ist die Bürste sichtbar eingefärbt, positionieren Sie sie in einem Winkel von ca. 30 Grad über Ihrem Malgrund. Sie halten die Bürste wie ein Mikrophon. Ihr Daumen beginnt nun, beherzt aber sensibel über die Borsten zu reißen, wobei sich sichtbare Farbtropfen als Spitzer auf dem Papier absetzen sollten. Tun sie dies, dann gratuliere ich Ihnen zum eigenen grobkörnigen Diy-Airbrush-Set. Sollten Sie abweichendes feststellen, dann haben Sie sich nicht an entsprechende Anleitung gehalten. Beginnen Sie in dem Falle von vorn. Nur Mut; das wird schon. Bei mir hat es ja auch geklappt – siehe Bild.
Ein Umriss wurde in Weiß auf das Gepunktete grundiert. Punkt, Punkt, Komma, Strich – fertig war das Mondgesicht.
Ich habe eine Vorliebe für gerade Ponyfrisuren. Wenn du mich weiter verfolgst, wirst du öfter auf Frisuren mit gerader Front treffen. Mit dem Molotow-Marker in Schockblau bekam das Gesicht seinen Namen. „Lord Helmchen“.
Und so ist es jetzt da, das Helmchen. Schaut mit großen Augen in die Welt. Ich kann seinen Gesichtsausdruck nicht richtig deuten. Schaut es sinnlich, unbedarft, vielleicht naiv oder eher wissend. Ich weiß es nicht. Und ich habe es lieb gewonnen, über die Zeit. Über die Zeit, in der ich mit seiner Erscheinung gehadert habe. Es wollte werden, was es ist. Ich hielt lange dagegen. Hatte meine Erwartungshaltung. Ein kardinaler Fehler, will man sich auf eine Beziehung ernsthaft einlassen. Naja, ich habe dazu gelernt. Hoffe ich.
Und du, was sagst du nun dazu?